Post by Uwe BorchertTatsachenbehauptungen sind keine Meinungen, daher ist die
Meinungsfreiheit nach Art 5 GG hier nicht so relevant.
Könnte man denken, aber freilich ist das nicht so:
| Art. 5 I 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu
| äußern und zu verbreiten. Dabei sind Meinungen im Unterschied zu
| Tatsachenbehauptungen durch das Element der Stellungnahme, des
| Dafürhaltens oder Meinens geprägt [...]. Sie genießen den Schutz des
| Grundrechts, ohne daß es darauf ankäme, ob die Äußerung wertvoll oder
| wertlos, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder
| rational ist [...]. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen
| grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 I 1 GG. Insoweit kann die
| Frage nur sein, ob und wie sich aus Art. 5 II GG im Einzelfall Grenzen
| ergeben.
|
| Die Mitteilung einer Tatsache ist dagegen im strengen Sinne keine
| Äußerung einer Meinung, weil ihr die für eine Meinungsäußerung
| charakteristischen Merkmale fehlen. Tatsachenbehauptungen fallen deswegen
| aber nicht von vornherein aus dem Schutzbereich von Art. 5 I 1 GG heraus.
| Sie sind vielmehr durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt,
| weil und soweit sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen sind, welche
| Art. 5 I GG gewährleistet [...]. Daher endet der Schutz der
| Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen erst dort, wo sie zu der
| verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen
| können. Unter diesem Gesichtspunkt ist unrichtige Information kein
| schützenswertes Gut. Das BVerfG geht deswegen davon aus, daß die erwiesen
| oder bewußt unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz des Art. 5 I 1
| GG umfaßt wird [...]. Allerdings dürfen die Anordnungen an die
| Wahrheitspflicht nicht so bemessen werden, daß darunter die Funktion der
| Meinungsfreiheit leidet [...].
|
| Die Abgrenzung zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen kann im
| Einzelfall schwierig sein, vor allem deswegen, weil die beiden
| Äußerungsformen nicht selten miteinander verbunden werden und erst
| gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen. In solchen Fällen ist der
| Begriff der Meinung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit
| zu verstehen: Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich
| vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder
| Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht geschützt.
| Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der
| tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte.
| Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend
| angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit
| wesentlich verkürzt werden [...].
(BVerfG, Beschluss vom 09.10.1991 - 1 BvR 1555/88)
Die Verbreitung von "News", insbesondere auch "Fake News", ist regelmäßig
geprägt durch die Meinung, dass diese "News" zutreffend seien, und nicht
selten eine entschiedene Stellungnahme für diese Auffassung. Solange die
Tatsachen nicht erwiesenermaßen unwahr sind oder der Autor gar bewusst
lügt, ist daher der grundrechtliche Schutz regelmäßig gegeben.
Ausnahmen von dem weitgehenden Schutz macht das BVerfG - unter
Berücksichtigung der deutschen Geschichte - primär im Bereich der
Holocaustleugnung.
-thh
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